Wie sieht eine Nachbarschaft aus, mit der wir leben wollen?

Jede*r hat Nachbarn – und unterschiedliche Erwartungen an diese. Welche Probleme können auftreten und was kann man tun, um gute Nachbarschaft zu fördern? Wie kann eine solche in der neu entstehenden Heinrich-Pesch-Siedlung erreicht werden? Diese Fragen diskutierten Vertreter*innen aus Wissenschaft und Praxis mit interessierten Teilnehmer*innen am Mittwoch, 29. Juni, im Heinrich Pesch Haus.

 „Ein Basisbedürfnis eines Menschen ist ein Haus, also einen Ort zu finden, der Schutz gibt vor Regen und den Elementen. Aber ein Haus kann viel mehr sein als ein Gebäude. Im sozialen Kontext ist es ein Ort, an dem der Mensch liebt und Leben mit anderen teilt.“ Dieses Zitat nach Petro Arrupe SJ, dem 28. Generaloberen der Jesuiten, setzte Ulrike Gentner, stellvertretende Direktorin des Heinrich Pesch Hauses, an den Beginn des Abends. Denn genau das, ein miteinander Wohnen und Leben, sehe die geplante Heinrich-Pesch-Siedlung vor.

Dr. Annette Spellerberg, Professorin für Stadtsoziologie an der TU Kaiserslautern, führte aus wissenschaftlicher Sicht in das Thema ein. So hat Nachbarschaft eine Doppelbedeutung: Zum einen bezeichnet sie soziale Beziehungen, zum anderen ein Quartier als sozialräumliche Einheit. „Jeder ist ein Nachbar, ob er will oder nicht. Das kann durchaus schwierig sein. Es gilt, die richtige Balance von sozialer und räumlicher Nähe auszutarieren“, sagte Spellerberg. Als eine grundlegende Bedingung für reibungslose Nachbarschaften benannte sie das Akzeptieren von Grenzen von Wohnungen und Grundstücken. Eine „distanzierte Freundlichkeit“ und „banale Hilfen“ wie Post entgegennehmen seien typisch für nachbarschaftliche Beziehungen.

Funktionen von Nachbarn

„Der Nachbar ist der typische Nothelfer“, erläuterte Annette Spellerberg. Das zeige schon der Wortursprung – Nachbar kommt von „naher Bauer“. Doch auch Kommunikation, soziale Kontrolle und Sozialisation sind weitere Funktionen von Nachbarn. Studien haben gezeigt, dass Nachbarn in kleineren Orten häufiger Kontakt haben. Auch haben ältere Menschen ein engeres Verhältnis zu Nachbarn als jüngere. „Gerade in Städten wollen sehr viele aber auch eine anonyme Nachbarschaft haben“, betonte die Professorin. Das könne auch ein Thema für die Heinrich-Pesch-Siedlung werden.

„Nicht allein sein und doch frei sein“ – so könne man gute Nachbarschaft beschreiben. Allerdings:  „Es gibt keinen Garanten für gute Nachbarschaft“, betonte Annette Spellerberg. Eine Möglichkeit, um soziale Beziehungen herzustellen und zu stützen, seien organisierte Nachbarschaften. Mit Blick auf die Heinrich-Pesch-Siedlung sah sie da einiges Potenzial – Quartiersmanagement, Bewohnerverein, Gemeinschaftsflächen, Begegnungshaus, Bildungsangebote des HPH und soziale Einrichtungen. „Ich gehe davon aus, dass sowohl die Menschen, die bewusst in die Siedlung ziehen, als auch die Angebote zu besseren Nachbarschaftsbeziehungen führen“. Wichtig sei es, den Menschen einen Freiraum zu lassen. „Es wird viele Konflikte geben, aber das gehört dazu. Es wird verschiedene sehr gute Nachbarschaften geben“, blickte sie in die Zukunft.

Quartiersmanagement der richtige Ansatz

Diese Einschätzung bestätigten Benno Biedermann und Lisa Martin aus ihren Praxiserfahrungen als Leiter der Mieterberatung der GAG Ludwigshafen und Quartiersmanagerin der Stadt Ludwigshafen am Rhein. „Quartiersmanagement ist der richtige Ansatz, um Nachbarschaften zu gestalten“, sagte Biedermann. Dass dieses bei der Siedlung von Anfang an und dauerhaft vorgesehen sei, ist für ihn ein „Garant für Erfolg“. „Wichtig sind Begegnungsflächen für die Bewohner*innen, die aber auch bespielt werden müssen“, ergänzte Martin. Auch sollten die Menschen von Beginn an in die Planungen einbezogen werden. Beide waren sich einig, dass Ehrenamt für eine gelingende Nachbarschaft wichtig ist – aber schwierig zu finden.

Wohnen für Menschen aus vielen sozialen Schichten, Kulturen und Generationen

Ernst Merkel, Geschäftsführer der Heinrich-Pesch-Siedlung GmbH & Co. KG, gab anschließend einen Überblick über die Planungen für die Siedlung. Hier werden bis 2027/28 rund 700 bis 800 Wohnungen für 1500 Menschen aus vielen sozialen Schichten, Kulturen und Generationen entstehen. Die HPS weist viele Grünanlagen auf und wird verkehrsberuhigt sein, außerdem gibt es ein innovatives Energiekonzept. „Der zentrale Platz mit dem Begegnungshaus, Ladengeschäften und einem Bistro wird ein Ort der Vernetzung sein, wo Nachbarschaft gefördert wird“, sagte er. Auch das Quartiersmanagement, Mietergärten und eine Kita förderten die Kommunikation in der Siedlung. „Die Menschen können bei uns lustvoll von klein auf bis ins Alter leben und miteinander und füreinander da sein“, sagte er. „Wir bieten einen Rahmen, wo man aus dem Vollen schöpfen kann“.

Erste Reaktionen von Investoren seien sehr positiv. „Sie finden die Idee sehr herausfordernd und warten gespannt, um in ein soziales und organisiertes Wohngebiet zu investieren“. Die ersten Mieter können voraussichtlich 2025 einziehen.

„Die Initiator*innen sehen die Siedlung als einen Beitrag zum Zusammenhalt der Gesellschaft“, beschrieb Ulrike Gentner abschließend die Vision der Siedlung. Die Bewohner*innen und Initiator*innen lernen, mit Vielfalt und unterschiedlichen Bedürfnissen umzugehen. „Wir Menschen sind soziale Wesen und wachsen aneinander“, schloss sie den Abend, eine Kooperation von Heinrich Pesch Haus, Katholischem Dekanat Ludwigshafen und der Heinrich-Pesch-Siedlung GmbH & Co.KG (ako)

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