Über 360 der kleinen Tiere hat Marco Wagemann auf dem Areal der zukünftigen Heinrich-Pesch-Siedlung seit Ostern schon gefangen. Eigentlich, so berichtet der Diplom-Biologe, hätte er bis jetzt schon mehr Mauereidechsen umgesiedelt. Doch das kalte und feuchte Wetter machte seinen Plänen einen Strich durch die Rechnung. Eidechsen mögen es nämlich lieber warm und sonnig. Dann kommen sie aus ihren Schlupflöchern heraus, um Energie zu tanken. Besonders oft sind sie kurz nach einem Regenschauer zu sehen. „Neben der Tages- muss auch die Nachttemperatur ausreichend hoch sein“, nennt Wagemann einen weiteren Geling-Faktor für sein Fangvorhaben.
Doch selbst wenn es theoretisch ideales Fangwetter ist, kann es sein, dass sich nur wenige Eidechsen zeigen. „Es sind Tiere. Da steckt man nicht drin“, sagt Marco Wagemann. Der Experte weiß, wo sich die kleinen braunen Tierchen am liebsten aufhalten, wo sie ihre Hotspots haben. Neben dem Sachverstand ist Geduld für den Eidechsenfänger vermutlich die wichtigste Eigenschaft, denn es kann durchaus vorkommen, dass es zwei Stunden dauert, bis ein Tier eingefangen ist. „Man sieht eine Eidechse, die verschwindet und dann wartet man, bis es sich wieder zeigt“, beschreibt er sein Vorgehen. Denn schließlich sollen möglichst alle Mauereidechsen auf dem Baufeld eingefangen und umgesetzt werden.
Damit das gelingt, sind die Bereiche, in denen die Mauereidechsen leben, mit Kunststoffzäunen abgegrenzt. Die etwa 30 cm hohen Elemente sind halbrund gebogen, wobei die Rundung nach innen weist. So wird verhindert, dass Eidechsen aus diesem Gebiet in die benachbarten Baufelder gelangen können. Am Rand der Baustelle zur Straßenbahnlinie befindet sich ebenfalls ein schwarzer Zaun, nur ist dieser mit der Rundung zur Straßenbahnlinie gebogen. Denn in dem Grünstreifen entlang der Schienen leben viele Eidechsen und der Zaun soll verhindern, dass sie auf die Baustelle gelangen.
Wagemanns Profession ist so speziell und selten, dass es keine genormte Ausrüstung gibt. Zum Einfangen benutzt er einen Teil einer Angelrute, an deren Spitze hat er eine kleine Schlinge befestigt. Es sieht aus wie ein kleines Lasso. „Man kann Nähseide benutzen oder Angelschnur“, erklärt er. Der Eidechsenfänger aber bevorzugt ein anderes Material: „Ich nehme Zahnseide“, verrät er und demonstriert gleich, wie das Einfangen funktioniert. Sobald er die Schlinge über den Kopf und Hals des Tiers gezogen hat, zieht er die Angelrute hoch, nimmt das Tier in die Hand und löst behutsam die Schlinge. „Das ist neben Fallen die schonendste Fangmethode“, sagt der Diplom-Biologe. Die Tiere finden dann vorübergehend Platz in einer mit Holz und Stroh ausgelegten Transportbox.
Die eingefangenen Tiere werden noch am selben Tag in das eigens angelegten Eidechsen-Habitat auf der anderen Seite der Straßenbahngleise gebracht. Dort sollen sie eine neue Heimat finden. Auf sie wartet auf jeden Fall genau die Lebensräume, die sie bevorzugen: ein Feldsaum und eine Brombeerhecke. (rad)